Hilfe! Es tut weh!

Über das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele - Schmerzpatienten aus der Sicht des Therapeuten.

In unsere Physiotherapiepraxis kommen jeden Tag viele Menschen mit Schmerzen. Schmerzen aufgrund von Verletzungen, Schmerzen aufgrund von angeborenen Fehlstellungen, oder aber auch Schmerzen, die irgendwann einfach da waren. 

Wahrscheinlich kamen diese Schmerzen langsam. Waren mal besser, dann wieder schlechter und irgendwann so schlimm, dass die, unter Schmerzen leidenden Personen, zum Arzt gegangen sind.

Der Arzt wiederum stellt in einem 10 minütigen Termin mit seinen "Röntgenaugen" eine Diagnose und verordnete dann 6 x 20 Minuten Krankengymnastik. 

Meist sind das die Menschen, die irgendwelche unheilbaren Diagnosen haben. Arthrose, Bandscheibenvorfall oder ganz schlimm „allgemeiner Verschleiß“. Meist kommen diese Menschen entweder mit der Erwartungshaltung, dass eh nichts mehr helfen kann, denn die Schmerzen sind ja schon seit Monaten spürbar und der Arzt konnte ja auch nicht helfen. Die Termine in der Physiotherapie sind eigentlich auch nur eine zusätzliche Belastung im Alltag, für die nun wirklich so gar keine Zeit ist.

Oder, es kommen Menschen, die nach dem Erhalten ihres Rezepts die Erwartungshaltung haben, alles getan zu haben was in ihrer Macht steht und nun versorgt werden. Sie waren ja schließlich schon beim Arzt, haben ihr Rezept geholt, haben sich die Zeit für 6 Mal 20 Minuten Behandlung freigehalten und möchten jetzt bitte auch etwas dafür bekommen. Am besten wäre es natürlich, wenn man den schmerzfreien Körper bereits nach der ersten Behandlung wieder mit nach Hause nehmen kann. Spätestens nach der 6 Behandlung sollte aber alles wieder passen. Schließlich hat der Arzt das ja so verordnet.

Wie geht man auf solche Menschen zu? Wie erklärt man, dass man einen Körper nicht einfach von außen reparieren kann? Das man ihn nicht einfach in die Werkstatt bringt und wieder mitnimmt? Das Körper, Geist und Seele nicht zu trennen sind? Wo fängt man an zu erklären, dass Schmerzen, die nicht aufgrund einer akuten Verletzung auftreten, sondern sich über Jahre entwickelt haben, auch nicht weggehen indem man ein bisschen darauf rumdrückt? Denn klar ist: Mit ein bisschen Massage und Manueller Therapie wird man diesen Menschen nicht weiterhelfen können.

Man muss den ohnehin gestressten und von Schmerzen geplagten Menschen klar machen, dass ihre Schmerzen eine Art Hilfeschrei des eigenen Körpers sind und nun noch ein „Problem“ mehr auf sie zu kommt. Keine so leichte Aufgabe für uns und definitiv nicht das, was sich unser Gegenüber von dem Termin erhofft hat.

Schmerzen, und das muss man auch seinem Gegenüber so erklären, sind ein multifaktorielles Konstrukt. Kein Mensch kann zu 100% sagen, warum, wann, wie, wieso die einen Menschen in einer Situation Schmerzen spüren und andere, mit eventuell sogar schlimmeren Diagnosen, nicht. Fest steht allerdings, Schmerzen werden „gelernt“. Was soll das heißen? Kein Mensch möchte doch Schmerz empfinden, geschweige denn „lernen“. So ist es aber leider und durch ständiges nachfragen wie „Wie ist der Schmerz heute?“ lenkt man noch mehr Aufmerksamkeit darauf. 

Fragen wie „In welcher Situation ging es dir gut?“ können da hilfreicher sein. Eine positiv gestellte Frage vermittelt automatisch das Gefühl, dass die Dinge gut laufen und das Gegenüber beginnt nicht im Gedächtnis nach Situationen zu suchen, in denen mal wieder alles schief lief. 

Ein Ansatzpunkt um diese unangenehme Situation, eventuell sogar der Konfrontation, strukturiert anzugehen bietet hier das Coaching. Zu allererst gilt es sich selbst und dem Menschen gegenüber klar zu machen, was der Ist-Zustand ist. Wie sieht das Leben momentan und in den vergangenen Jahren aus. Was lief gut, was lief nicht so gut, und was kann es sein, was das Unterbewusstsein so sehr beschäftigt, dass es Schmerzen verursacht. 

Es ist wichtig dem Menschen klar zu machen, dass die Schmerzen nicht von außen gekommen sind und deshalb auch nicht von jemanden Außenstehenden behoben werden können. Egal, wie sehr wir das auch gerne tun würden. Was wir aber tun können, ist dem Menschen das Vertrauen zu geben, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können. Anstatt dem bereits gestressten Menschen noch mehr Aufgaben zu geben und zu sagen: „Du musst das und das in deinem Leben ändern, sonst wirst du nie wieder gesund!“ ist es wirkungsvoller ihm zu verdeutlichen, dass man „Hilfe zur Selbsthilfe“ anbieten kann. 

Der Begriff  "Unterstützung" kann hier eine große und beudetende Rolle spielen. 

Natürlich kann man nicht alle Verantwortung an einen Menschen abgeben, der zu einem kommt, weil er Hilfe benötigt. Das soll auch gar nicht das Ziel sein! Es muss selbstverständlich sein, dass man ihn mit allen therapeutischen Mitteln unterstützt, die zur Verfügung stehen. 

Ziel ist es also dem Menschen wieder das Selbstvertrauen zu geben, dass er mit unserer Unterstützung selbst die Lösung seines Schmerzproblems herbeiführen kann. Nur wenn er das versteht, wird er motiviert sein selbst aktiv zu werden.

Erkennen Sie sich vielleicht selbst in der ein oder anderen Situation wieder?